Sehr geehrter Herr Bürgermeister, geschätzte Herrn Vizebürgermeister etc.

Heute werden mit Hofrat Dr. Josef Feldner und Dr. Borut Marjan Sturm zwei Männer aus der Zivilgesellschaft vor den Vorhang gebeten und mit der zweithöchsten Auszeichnung der Landeshauptstadt bedacht. Beide haben sich bei der Umsetzung nationaler und internationaler Normen in Kärnten Verdienste erworben, der Gedenkkultur im Land neue Impulse gegeben und so das Zusammenleben der beiden Volksgruppen positiv mitgeprägt. Mit Sachkenntnis, Einfühlungsvermögen, originärem Denken und auch Hartnäckigkeit  gelang es ihnen, jahrzehntelange Verkrustungen aufzubrechen, über Generationen tradierte Topoi zu hinterfragen, um so letztlich der Politik eine entscheidende Hilfestellung zu geben, die seit 1955 anstehende zweisprachige Topographie endlich umzusetzen. Es gebietet die Fairness und ist deshalb mit Sicherheit im Sinne der heute Geehrten,  dass in diesem Zusammenhang auch die anderen Mitglieder der Kärntner Konsensgruppe genannt werden. Der schon verstorbene Heinz Stritzl sowie Bernard Sadovnig und Stefan Karner haben ebenfalls ihr nicht unwesentliches Scherflein zum Gelingen beigetragen.

Nukleus, Scharnier gegen Innen und Gesicht nach Außen dieser Annäherung verschiedener Standpunkte,  vor allem in der Volksgruppenfrage, waren und sind für viele Menschen im Land zu Recht Feldner und Sturm.

Beide haben in der Zeit der NS-Diktatur und des Krieges nahe Angehörige verloren und mussten auch die familiären Traumata in ihrem Lebensrucksack mittragen. Beide haben wohl im Laufe eines langen Prozesses erkannt, dass es, nach einem Wort von Erzbischof Desmond Tutu, bei einer solchen historischen Konfliktbewältigung vorrangig um Versöhnung und Wahrheit geht.

„Jeder von uns trägt etwas vom anderen in sich“, ist ein Zitat von Marjan Sturm aus einem Rundfunkinterview. Dies ist für mich ein Schlüsselsatz, der wohl auch Marjan nicht in die Wiege gelegt wurde und der letztlich der lebenslangen Bereitschaft zu fragen und zu hinterfragen, nach- und vorzudenken wie auch den eigenen Standpunkt zu überdenken, geschuldet ist! Dieses Erkennen und Akzeptierten, dass der Blick  zum Konkurrenten und Gegner, ja selbst zum Feind, auch immer ein solcher in den Spiegel ist, zeichnet Marjans Denken und Handeln aus.

Marjan Sturm heißt mit erstem Vornamen eigentlich Borut und wenn man will, kann man diese Namenswahl auch programmatisch deuten. Borut war bekanntlich jener erste namentlich genannte Slawenfürst, dem es durch Diplomatie und Hintanstellen persönlicher Herrschaftsinteressen gelang, im Spannungsfeld zwischen Franken und Baiern einerseits und den Awaren andererseits, Karantanien einigermaßen friedlich und unter Beibehaltung beschränkter Souveränität, was sich nicht zuletzt in den Zollfelder Zeremonien manifestierte, durch das bewegte 8. Jahrhundert zu führen.

Einen Sohn 1951 – nach erlittener Verfolgung, Aussiedelung und dem Verlust einer Tochter – Borut zu taufen, zeugt wohl vom Selbstbewusstsein und Selbsbehauptungswillen der Eltern. Marjan beschreibt in seinen Schriften auch den Dualismus am Heimathof vor den Toren Klagenfurts: Der Vater und seine Schwestern katholisch-konservativ, an archaischen Bräuchen sich festhaltend, und dem gegenüber die Mutter, der Aufklärung und dem Jansenismus, einer moralisch-puritanischen kirchlichen Erneuerungsbewegung, mit der sie wohl durch ihren Priester-Bruder in Kontakt kam, zugetan.

Dieser klassischen dialektischen Dreiheit aus These, Antithese und daraus zu gewinnender Synthese fühlte sich  Marjan sein Leben lang verpflichtet. Vom katholisch geprägten Tomanhof in Svinča vas/Zinsdorf auf die Wiener UNI, um sich dort einer maoistischen Studentenfraktion anzuschließen. Vom, nach Eigenbeschreibung, Vervollständiger der Hermagorer Ortstafel um das für  die Wulfeniastadt im Slowenischen gebräuchliche Šmohor, zum souveränen und verständnisvollen Ortstafelverhandler, der es um des größeren Ganzen willen hinnimmt, dass seine Gegenüber die selbst vorgeschlagenen 17,5 Prozent im Einzelfall unterlaufen. Vom politischen Feuerkopf, der sich in seiner Dissertation mit dem Befreiungskampf der Partisanen beschäftigt, zum empathischen Redner in LeŠe/Liescha und am Völkermarkter Stadtfriedhof, der in bewegenden Worten der Tragik aller Opfer glaubwürdigen Tribut zollt. Marjan ist aber auch ein scharfzüngiger Intellektueller im bäuerlichen Habitus. Ein Freund der Künste und gesuchter Gesprächspartner vieler Schriftsteller, Musiker, Maler, Bildhauer, Film- und Theatermacher, aber auch leidenschaftlicher Jäger, der seiner Obsession vornehmlich in Radiše/am Radsberg nachgeht und ein ausgefuchster  Tarockpartner. Er ist ein viriler Gourmet,  manchmal auch zum Gourmand neigend, der ebenso gerne in die Pedale tritt und mit nachahmenswerter Regelmäßigkeit das Fitness-Studio frequentiert.

Die Bereitschaft, ja Leidenschaft, mit jeder und jedem nicht nur in einen Dialog zu treten, immer im Hinterkopf habend, dass einem dabei ein Blick in den Spiegel nicht erspart bleibt, sondern auch sein grundsätzliches Bemühen, dem Gegenüber mit Achtung zu begegnen und seine Argumente gelten zu lassen, haben Marjan Sturm zu einem Kärntner Brückenbauer werden lassen. Er steht und das sei in einer Zeit, wo so oft bis zur Polemik zugespitzt argumentiert wird, ausdrücklich gesagt, in einer guten Kärntner und Klagenfurter Tradition! Ich erinnere daran, dass in den ersten Kärntner Landesregierungen Kriegsheimkehrer mit Ferdinand Wedenig und Alois Karisch, die aus den Konzentrationslagern von Dachau und Buchenwald nach Hause kamen sowie dem ehemaligen Wöllersdorfer Häftling Hans Herke, gemeinsam am Regierungstisch saßen und alle vertrauensvoll und konstruktiv zum Wohle der Menschen  im Land und in dieser Stadt zusammenarbeiteten. Ich erinnere hier im Rathaus an den ehemaligen sozialdemokratischen Klagenfurter Bürgermeister Franz Pichler-Mandorf, der selbst im österreichischen Schicksalsjahr 1934 noch immer das Gespräch mit dem politischen Gegner, der zu dieser Zeit auch erbitterter weltanschaulicher Feind war, suchte und mit dazu beitrug, dass im Februar dieses Jahres kein Blut in dieser Stadt vergossen wurde. Und ich erinnere an den in Rufweite von hier, im Viktringer Hof an der gegenüberliegenden Seite des Neuen Platzes residierenden Klagenfurter Ehrenbürger Graf Franz Enzenberg, der zum Wohle der Klagenfurterinnen und Klagenfurter sich mit den französischen Besatzern bis hinauf zu Napoleon Bonaparte arrangierte.

Dr. Borut Marjan Sturm und Hofrat Dr. Josef Feldner sind in die Fußstapfen verdienter Kärntner getreten und erhalten heute zu Recht den Dank der Landeshauptstadt.

Chapeau, lieber Marjan!
Chapeau, geschätzter Beppo!

~HR Dr. MMag. Rudolf Dörflinger